Rühret nicht daran

 

Wo still ein Herz von Liebe glüht,

Oh rühret nicht daran.

Den Gottesfunken löscht nicht aus;

Fürwahr es ist nicht wohlgethan!

 

Wenns irgend auf dem Erdenrund

Ein unentweihtes Plätzchen gibt,

So ists ein junges Menschenherz,

Das fromm zum erstenmale liebt!

 

O gönnet ihm den Frühlingstraum,

In dem's voll ros'ger Blüten steht!

Ihr wisst nicht, welch ein Paradies

Mit diesem Traum verloren geht!

 

Es brach schon manch ein starkes Herz,

Da man sein Lieben ihm entriß.

Und manches duldend wandte sich

Und ward voll Haß und Finsternis.

 

Und manches, das sich blutend schloß,

Schrie laut nach Lust in seiner Not.

Und warf sich in den Staub der Welt.

Der schöne Gott in ihm war tot.

 

Dann weint ihr wohl und klagt euch an.

Doch keine Thräne heißer Reu

Macht eine welke Rose blühn,

Erweckt ein totes Herz aufs neu.

Emanuel Geibel

 

 

 

Sobald ein Herz die Liebe fand.

 

Sobald ein Herz die Liebe fand,

Blüht ihm die wunderschöne Welt.

Es schlingt ihr rosenrotes Band

Sich durch der Hoffnung grünes Zelt.

 

Und wenn ein Herz die Liebe fand,

Ist kalt und nüchtern diese Welt.

Sie kennt ja nicht den lichten Brand,

Der seine inn're Welt erhellt.

 

Ja, wenn ein Herz die Liebe fand,

Dann fand es eine eigne Welt.

Es fand ein unentdecktes Land,

Drin Seligkeit die Knospen schwellt.

Karl Stelter

 

 

 

Schließe mir die Augen beide.

 

Schließe mir die Augen beide

Mit den lieben Händen zu!

Geht doch alles, was ich leide,

Unter deiner Hand zur Ruh.

 

Und wie leise sich der Schmerz

Well' um Welle schlafen leget,

Wie der letzte Schlaf sich reget,

Füllest du mein ganzes Herz.

Theodor Storm

 

 

O laß dich halten, goldne Stunde.

 

O laß dich halten, goldne Stunde,

Die mir so schön sich wieder beut!

Schau, wie die Mondnacht in die Runde

All ihre weißen Rosen streut.

Des Tages Stimmen fern verhallten;

Nicht Worte stören, nicht Gesang

Des stillsten Glückes innig Walten,

Nach dem die ganze Seele drang.

 

So Brust an Brust, so ganz mein eigen,

So halt ich dich, geliebtes Bild!

Es rauscht die Nacht, die Lippen schweigen,

Und Seele tief in Seele quillt.

Ich bin dein Glück, du meine Wonne,

Ich bin dein Leben, du mein Licht.

Was soll uns Tag, was soll uns Sonne?

Du schöne Nacht, entflieh uns nicht.

O. Roquette

 

 

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Ashtar-Linara